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Wohnungsnot bei Senioren: Studie warnt vor Altersarmut und Obdachlosigkeit


Studie schlägt Alarm
Deutschland droht die "graue Wohnungsnot"

  • Annika Leister
Von Annika Leister

Aktualisiert am 17.04.2023Lesedauer: 3 Min.
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Mann am Küchentisch (Symbolbild): Mehr als die Hälfte der Seniorenhaushalte lebt mit sehr knappem Budget. (Quelle: IMAGO/rolf kremming)

Die Babyboomer gehen in Rente – und der Wohnungsmarkt ist darauf nicht vorbereitet. Millionen seniorengerechte Wohnungen fehlen, Altersarmut und Obdachlosigkeit drohen, warnt eine Studie.

Die geburtenstärksten Jahrgänge Deutschlands gehen in den kommenden Jahren in Rente. Das ist nicht nur für die Rentenkasse eine enorme Herausforderung, sondern auch für den Wohnungsmarkt. Das Pestel-Institut, ein Forschungsinstitut für Kommunen und Verbände, schlägt nun Alarm: Bereits heute fehlten Millionen altersgerechte Wohnungen. Und in denen, die es gibt, lebten oft nicht einmal Senioren.

Das Institut warnt außerdem eindringlich vor drohender Altersarmut und steigender Obdachlosigkeit bei älteren Menschen. Mit einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) hat es die künftige Wohnsituation der "Babyboomer" untersucht.

Was sind die größten Probleme, wie könnten Lösungen aussehen?

Hoher Bedarf, zu wenig Wohnungen

Keine Treppen, Platz für Rollator und Rollstuhl, barrierefreier Zugang zur Dusche: Senioren haben beim Wohnen andere Bedürfnisse als jüngere Menschen. Schon heute aber fehlen nach Angaben des Pestel-Instituts 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen.

Mit der "Babyboomer"-Generation wird der Bedarf in den kommenden Jahren stark steigen: Mehr als 21 Millionen Menschen werden in 20 Jahren demnach zur Altersgruppe "67plus" gehören – rund 3,6 Millionen mehr als heute. 2040 werden laut Studie so bereits 3,3 Millionen seniorengerechte Wohnungen gebraucht.

Der Wohnungsmarkt sei auf diese Situation "ganz und gar nicht vorbereitet", warnt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts. Deutschland rase gerade mit "100 Sachen in die 'graue Wohnungsnot'".

Günther sieht die große Gefahr, dass Haushalte mit niedrigem Einkommen in Zukunft verstärkt vollstationär in Pflegeheimen versorgt werden müssen, allein weil ihre Wohnungen nicht für die ambulante Pflege taugen. Er warnt auch vor den gesellschaftlichen Folgen dieser Entwicklung: Das schlage unmittelbar auf die staatlichen Transferleistungen durch.

Eine Frage der Verteilung

Nur rund jede siebte Wohnung ist laut Studie heute altersgerecht. Ein Großteil davon aber wird gar nicht von Älteren bewohnt. Oft nämlich würden Familien Wohnungen ohne Schwellen, mit breiten Türen und Fluren nutzen. Umgekehrt lebten die, die solche Wohnungen benötigten, oft nicht barrierefrei. Von 2,8 Millionen Haushalten, in denen Senioren leben, seien nur 600.000 für das Leben mit Rollator oder Rollstuhl geeignet.

Um das zu ändern, hat die Linke gerade die Verankerung einer neuen Option im Mietrecht gefordert: Senioren und Familien sollen in Zukunft ihre Wohnungen tauschen können. "So können Senioren in eine kleinere Wohnung ziehen, ohne am Ende mehr Miete zu zahlen", sagte Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linken, t-online.

Pestel-Institut-Leiter Günther sieht zudem Bedarf an noch mehr Förderung, um den Umzug zu fördern: Mobilitätsprämien beispielsweise könnten die Bereitschaft umzuziehen erhöhen.

Altersarmut und Obdachlosigkeit werden steigen

Ändert sich nichts, werden viele Rentner die steigenden Mieten und Wohnkosten in Zukunft kaum noch zahlen können, warnt die Studie. Laut Günther steht zu befürchten, dass sich zwei Drittel der Seniorenhaushalte, die zur Miete leben, einschränken müssen.

"In Zukunft werden deutlich mehr Menschen als heute auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben", so Günther. "Und so bitter es ist: Auch ein dramatischer Anstieg der Alters-Obdachlosigkeit ist zu erwarten."

Schon jetzt wirtschaftet das Gros der Seniorenhaushalte mit knappem Budget: Mehr als die Hälfte habe weniger als 2.000 Euro netto im Monat zur Verfügung.

Klimaschutzprogramme sind zu teuer

Die Heizung umrüsten, besser isolieren, mehr erneuerbare Energien: Bundesregierung sowie EU-Parlament planen zahlreiche Modernisierungs- und Klimaschutzprojekte für den Bau- und Wohnsektor. Schließlich ist der Sektor beim Klimaschutz eines der größten Problemkinder – er macht rund 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus.

Durch solche Projekte aber vergrößere sich das Problem für viele Senioren, warnt Günther. "Das werden sich diese Menschen schlicht und einfach nicht leisten können ohne mehr Förderung."

Die Politik verschärft den Missstand

Günther übt scharfe Kritik an der Politik: Anstatt die Probleme anzugehen, bremse sie den Umbau von Wohnungen sogar aus, kritisiert er. Wer seine Wohnung nämlich fürs Alter herrichten wolle, der erhalte heute von der staatlichen KfW-Bank keine Zuschüsse mehr. Das sei früher anders gewesen.

Das müsse sich ändern, fordert Günther. Es brauche finanzielle Zuschüsse für den Umbau. Analog zu dem Förderprogramm "Junges Wohnen" ruft er Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) dazu auf, eine Förderung für das "Wohnen 67plus" zu initiieren. Diese müsse ein Volumen von mindestens einer halben Milliarde Euro haben, um zu wirken.

Das Wichtigste aber laut Pestel-Institut: neue Wohnungen. "Ohne mehr Wohnungsbau keine Entlastung", so Ökonom Günther.

Die Bundesregierung hatte sich das Ziel gesetzt, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Dieses Ziel wurde 2022 allerdings weit verfehlt, für dieses Jahr fallen die Prognosen noch schlechter aus.

Verwendete Quellen
  • Studie zur "Grauen Wohnungsnot"
  • Pressekonferenz zur Studie
  • spiegel.de: "Klimaproblem, in Beton gegossen"
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